Mein Name sei Kyrill … Teil 24 Textbeitrag

Mike spricht
Mit leicht klopfendem Herzen trug ich mein Papier vor:
Zunächst einmal gebe ich Professor Accola Recht: Ich glaube selbstverständlich nicht, dass organische Entwicklungen, welcher Art auch immer, geradlinig bis ins Unendliche verlaufen können. Es gibt für alles, was wächst, Grenzen. Stossen wir an diese, gibt es ein Abwärts, ein Abknicken oder sonst irgendetwas, das der Geradlinigkeit ein Ende setzt. Insofern ist lineares Denken vom Übel, da stimme ich mit ihm überein.
In gewisser Weise glaube ich sogar, dass die Turgot’sche Kurve ein Stück Realität widerspiegelt. Das Beispiel Acker ist für mich überzeugend. Aber, ich setze hier ein dickes Aber, das gilt doch nur für den Acker. Wer sagt denn, dass sich diese These auch auf die Erde als Ganzes übertragen lässt? Ist die Erde nicht mehr als nur ein simpler Acker? Ist sie nicht sogar mehr als die Summe aller Äcker?!

Ich ahmte Prof Vinz nach, indem ich ostentativ eine Pause einlegte und dann anfing, im Saal auf und ab zu stapfen. Einige lachten. Als ich auch noch mit den Armen herumfuchtelte, war das Gelächter gross. Ich fing einen bösen Blick von Nora auf.
Ich ging wieder zu meinem Platz zurück. Wir wissen doch aus der Biologie, dass die Evolution nicht allmählich, also nur in kleinen Schritten vorangekommen ist. Sie machte immer wieder heftige Sprünge. Sie hüpfte von Niveau zu Niveau, mit jedem Satz ein wenig höher.
Und genau so ist es mit unserer wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung. Auch sie macht Sprünge. Von Niveau zu Niveau, immer ein Stück aufwärts, immer nach oben!
Wieder machte ich eine Achtungspause à la Prof Vinz und schaute gross in die Runde. Was ich sagte, erfreute sich offensichtlich einer nicht geringen Aufmerksamkeit. Das gab mir Mut.

Ich will gar nicht von den grossen Schüben reden, die die Entwicklung in Riesensprüngen vorangetrieben haben, zum Beispiel die Erfindung der Elektrizität, der Dampfmaschine oder des Verbrennungsmotors. Oder des Computers oder des Internets. Das weiss ohnehin jeder.
Ich will nur ein ganz kleines, aber feines Beispiel aus der Praxis bringen. Weil ich da mal vor Jahren gearbeitet habe.
Noch bis in die siebziger Jahre gab es im Buchdruck den Bleisatz. Jeder Buchstabe musste, fast wie zu Gutenbergs Zeiten, wenn auch mit einer Maschine, aber doch Zeile für Zeile einzeln auf eine Schiene gesetzt werden. Was die Schnelligkeit der Drucklegung betraf, war man zweifellos an ein Maximum gestossen. Das liess sich nicht mehr steigern.

Und dann kam der Lichtsatz. Eine Revolution! Da war schon ein richtiger Computer am Werk. Die Buchstaben wurden wie mit der Schreibmaschine eingegeben, liessen sich sozusagen vor Ort korrigieren, wurden dann aber wie beim Fotografieren auf eine Filmfolie übertragen. Plötzlich ging der ganze Druckvorgang um ein Mehrfaches schneller.
Dieses Beispiel zeigt meines Erachtens sehr schön: Kommen wir mit einer Technik in den Grenzbereich, wo es nicht mehr weitergeht, setzt eine neue Erfindung den Weg auf einer höheren Ebene fort. Unsere schöne Turgotkurve hat sich durch Parallelverschiebung nach oben verschoben. Und die nächste Parallelverschiebung hat derzeit längst schon stattgefunden, nämlich durch die Digitalisierung der Datenverarbeitung. Jetzt geht der Text, in digitale Zeichen zerlegt, vom Schreibcomputer unmittelbar in die Druckmaschine ein. Womit wir in der Gegenwart angekommen wären.
Fazit: Turgot hat Recht, allerdings nur für eine bestimmte Ebene. Durch Parallelverschiebung aufgrund technologischer oder organisatorischer Neuerungen erschliessen wir uns immer neue, höhere Ebenen, auf denen es dann mit oder trotz Turgot munter weitergeht.

Liebe Freunde, sagte ich, schon leicht erschöpft, das war das Ergebnis einer Nachtübung von gestern auf heute. Das zu Papier zu bringen, war mir wichtig. Selbst dieser verrückte Sturm hat mich nicht davon abhalten können.
Danke fürs Zuhören, fügte ich noch an und lächelte erleichtert.
Was ich kaum erwartet hatte, Beifallsklopfen war zu hören, und das mir. So etwas tut gut. Richtig schade, dass unser Prof nicht hier ist. Ich hätte gern sein Gesicht gesehen. Ich setzte mich.

Siggi spricht
Dieser Mike ist schon ein cooler Hund, dachte ich anerkennend. Im Moment waren wir alle perplex.
Die Diskussion drohte zu kippen.
Hinzu kam, wir, die wir uns als Pro-Argumentierer verstanden, fühlten uns wie enthauptet. Schliesslich war Prof Vinz unser argumentativer Kopf, und wenn der fehlt… Im Gefühl des sicheren Sieges hatte sich keiner von uns richtig vorbereitet. Ich nicht, aber auch Mara nicht, die in letzter Zeit sehr aktiv war. Von Nora ganz zu schweigen, die seit einiger Zeit überhaupt nichts mehr von sich gab.
Unmöglich konnten wir das so stehen lassen. Ich war richtig zornig auf Prof Vinz, dass er uns in einem so entscheidenden Moment im Stich liess.

Dann hatte ich die rettende Idee. Die Tasche, seine Unterlagen!

Okay Mike, sagte ich, dir ist da ein guter Wurf gelungen. Die erste Runde geht an dich, Gratulation. Alles andere hätte uns enttäuscht. Ich lächelte ihn breit an. Er lächelt zurück. Wir verstanden uns schon sehr gut.
Mich hat man, mehr unfreiwillig als freiwillig, zum Argumentator der Gegenseite auserkoren. Wenn ich ehrlich sein soll, traue ich mir im Moment keine gleichwertige Antwort zu. Wir hatten uns alle auf Prof Vinz verlassen. Jetzt stehen wir da und gucken in die Röhre.
Aber ich hätte einen Vorschlag, sagte ich. Wenn Prof Vinz schon nicht da ist, solle er doch wenigstens indirekt zu Wort kommen. Hier ist seine Tasche. Ich bin sicher, dass er sich Notizen gemacht hat. Wie wär’s, wenn ich in seinen Unterlagen nachschaue, was er in unserer Diskussion zu sagen gehabt hätte.
Ich hörte zustimmendes Gemurmel.

Irgendwie gefällt mir das nicht, dass wir nicht selbst was auf die Beine stellen können, rief plötzlich unser Hörsaalkasper in ungewohntem Ernst dazwischen. Was Mike uns da erzählt, ist ja gut und schön, aber hat er nicht einfach Mikro und Makro verwechselt? Klar hat uns der Lichtsatz weiter gebracht als der Bleisatz. Ist es aber nicht gerade der hochgelobte technische Fortschritt, der uns in diesen Schitt, Umweltverschmutzung, Klimawandel und so weiter, hineingeritten hat? Was denn sonst als der technische Fortschritt. Er ist die Wurzel allen Übels. Wenn wir noch mit der Hand schreiben würden, ginge alles langsamer. Ginge es uns deswegen schlechter? Zumindest gäbe es weniger CO2.
Das seien doch alles nur punktuelle Teilerfolge, ohne Sicht auf das Ganze, setzte er nach. Wir hätten viel zu spät daran gedacht, dass wir nicht nur essen und trinken, sondern eben auch auf die Toilette gehen müssen. Entscheidend ist, was hinten rauskommt, das hat doch schon unser Altbundeskanzler gewusst. Und jetzt wundern wir uns, dass der Abort bis zur Unterkante Klodeckel voll ist und infernalisch an zu stinken fängt.
Ich schickte ihm einen verwunderten, um nicht zu sagen bewundernden Blick zu. Abgesehen von der Wortwahl war das nicht schlecht, das hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Aber ehe ich darauf eingehen konnte – er hatte ja soeben geschickt eine Tür geöffnet, um auf Mike eine Antwort zu finden – stand Mara auf.

Mara spricht
Was Mike vorhin gesagt hat, klingt verblüffend logisch, das stimmt. Aber nur im ersten Moment. Wenn man genauer darüber nachdenkt, wird einem schnell klar, worin der Denkfehler besteht. Unser Kasper, Pardon, ich meine mein Vorredner hat das schon angedeutet. Es ist der Widerspruch, der aus der Sicht des Einzelnen und der Sicht des Gesamten entsteht. Dass sich daraus Konflikte ergeben können, wurde ja schon angesprochen. Wobei ‘der Einzelne’ auch ein Unternehmen, ein internationaler Konzern oder sogar ein ganzer Staat sein kann. Vielleicht sogar ein ganzer Kontinent.
Meines Erachtens liegt der Denkfehler in Folgendem: Eine technische Innovation hebt in der Tat die Ertragskurve durch Parallelverschiebung nach oben, das ist richtig. Man kann bei gleichem Input ein Mehr an Output erwirtschaften. Das geschieht mit jeder neuen Innovation.
Aber ist es nicht genau so logisch, anzunehmen, dass die dadurch entstehende Bewegungsrichtung einer Linienführung folgt, die wiederum dem Verlauf des Ertragsgesetzes entspricht? Und deshalb insgesamt doch wieder abnehmende Grenzraten aufweist?

Um beim Beispiel Acker zu bleiben. Nehmen wir die Entwicklungssprünge vom Grabstock zum Pflug, vom Pflug zum Trecker und so weiter. Es gibt eine Ertragskurve für den Grabstock, eine Ertragskurve für den Pflug und eine für den Trecker. Jedes Mal auf höherem Niveau. Und dann eine für den Dünger und eine für den Grosseinsatz von Mehrfachpflügen und Riesenmähdreschern. Und trotz des immer höheren technischen Niveaus, auf das die Ertragskurven gehoben werden, erleben wir in weiten Teilen der Welt, zum Beispiel im mittleren Westen der USA, ein rapides Nachlassen der Bodenfruchtbarkeit. Das ist einfach ein Fakt. Ganz ähnlich in China und vielen anderen Ländern mit agrarischer Grossproduktion. Warum? Weil der Grosseinsatz von Maschinen, Düngemitteln und Pestiziden die Äcker ruiniert haben. Den Rest hat die Erosion besorgt. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Turgot’s zweieinhalb Jahrhunderte alte Erkenntnis vom Nachlassen der Ertragskraft ist für mich eindeutig die Erkenntnis der Realität von heute.
Tut mir leid, Mike, aber da irrt der Philosoph.

Siggi spricht
Peng, das sass. Mara, die Kämpferin, ich war wieder einmal komplett überrascht von ihr. Ich glaube, ich habe sie sträflich vernachlässigt, wollte sagen, unterschätzt. Das sollte ich tunlichst korrigieren.

Ich glaube, sagte ich in die erstaunte Runde, jetzt steht es eins zu eins unentschieden. Wollen wir nicht doch erst einmal das Schatzkästlein unseres Gelehrten in absente öffnen und schauen, was uns Prof Vinz zu sagen hätte?
Es erwies sich schwieriger als gedacht, aus dem Wust an Papieren in seiner Aktentasche genau die Unterlagen herauszufischen, die sich auf die heutige Vorlesung bezogen. Und so einer redet über Effizienz, dachte ich. Er sollte erst einmal in seiner Tasche für Ordnung sorgen.
Endlich! Triumphierend hielt ich meine Beute in die Höhe.
Ich hab’s gefunden, rief ich in das Getümmel, es kann losgehen.

Prof Vinz hatte sein Papier vorsorglich in entsprechender Anzahl kopiert, so dass ich es nur noch zu verteilen brauchte.
Ziemlich plötzlich war Ruhe eingekehrt. Ich sah zwei Dutzend nach vorn geneigter Köpfe, die sich erwartungsvoll über den Schriftsatz beugten.

Doch dann unterbrach eine unerwartete Bewegung die eingetretene Stille. Wie auf Verabredung erhoben sich Mike und Nora, packten ihre Sachen und stapften im Gleichtakt zur Tür. Ich war perplex. Und so muss ich wohl auch ausgesehen haben. Sonst wäre Mikes: ‘Mach den Mund zu, es zieht!’ eine glatte Beleidigung gewesen. Eine platte dazu!
Was ist denn in die beiden gefahren, dachte ich konsterniert, als er hinterherzischte: ‘Wir sind gleich wieder da.’
Das machte die Sache noch ominöser. Warum ausgerechnet jetzt und warum Mike und Nora? Und warum packen sie ihre Sachen, wenn sie gleich wieder da sein wollen? Ganz vage spürte ich, dass das etwas mit Prof Vinz’ und seiner Abwesenheit zu tun hatte.

Mike spricht
Eine Zeit lang waren wir damit beschäftigt, das Papier zu lesen.
Doch eine plötzlich unruhig gewordene Nora hinderte mich daran, die Lektüre abzuschliessen. Die ganze Zeit hatte sie kein Wort gesagt, sass nur wie versteinert da. Auch auf das, was ich gerade vorgetragen hatte, reagierte sie nicht. Und das von Siggi verteilte Paper von Prof Vinz überflog sie nur und legte es achtlos beiseite. Sehr merkwürdig, dachte ich.
Plötzlich drehte sie sich zu mir und flüsterte: Ich brauche dein Auto. Bitte, gib mir den Schlüssel.
Was willst du denn jetzt mit meinem Auto, flüsterte ich zurück.
Bitte, ich brauche es, jetzt sofort.
Warum gerade jetzt, mitten in der Diskussion?
Ich brauche es halt.
Sie schien einen Augenblick zu überlegen: Es ist wegen Vinzenz, flüsterte sie kaum hörbar.
Was ist denn mit Prof Vinz, willst du etwa zu ihm!?
Frag nicht, gib mir den Schlüssel, bitte.
Okay, aber nur, wenn ich mitkommen darf.

Sie schaute mich lange gross an, als wollte sie sagen: Gut, du hast es so gewollt. Sie nickte.

Die Diskussion über mein Papier, das ich soeben vorgetragen hatte, war gerade voll in Gang gekommen, als wir uns zum sichtbaren Erstaunen aller vom Platz erhoben und aus dem Saal marschierten. Ja, es war fast im Gleichschritt und nicht nur das löste unschöne Bemerkungen aus. Siggi starrte uns mit offenem Mund an, als wollte er gleich einen Schrei ausstossen.
Im Vorbeigehen machte ich eine despektierliche Bemerkung, er solle den Mund zumachen, es zöge oder so ähnlich, um dann deutlicher hinzuzufügen: Wir sind gleich wieder zurück.
Nora sprang, mehrere Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter. Nur mühsam konnte ich folgen.
Der Sturm hatte wieder an Stärke zugenommen, als wir, Nora mehrere Schritte voraus, über den Hof eilten.
Sag’ jetzt endlich, wo du hinwillst, rief ich hinter ihr her. Wo wohnt denn dein Vinzenz, den Vornamen unüberhörbar betonend.
Das wirst du gleich sehen, rief sie, ohne sich umzudrehen. Ich zeige dir, wie du fahren sollst.
Schweigend stiegen wir ein und fuhren los. Ich ahnte, dass ich auf eine nicht sehr angenehme Erkenntnis zusteuerte. Wir schwiegen auch noch, als wir über den Ring die Stadt verlassen hatten. Komisch, in dieser Gegend war ich noch nie, dachte ich.
Woher weisst du überhaupt, wo Professor Accola wohnt, versuchte ich eine Frage.
Ich weiss es halt, blitzte sie mich ab. Und dann schwiegen wir, bis ich nach links in einen Feldweg einbiegen musste. Hier rein? fragte ich ungläubig.
Ja, hier rein, sagte sie.
Wir fuhren an einem Wald vorbei, in dem der Sturm bereits ganze Arbeit geleistet hatte. Umgeknickte Bäume in Massen. Wie Mikadostäbe nach dem ersten Wurf lagen sie kreuz und quer durcheinander.
Es ging noch zweimal rechts herum und dann hielten wir an einem Waldrand vor einem mehrfarbig gestrichenen Holzhaus.
Hier wohnt er, in dieser Einöde?
Ja, hier wohnt er. In dieser Einöde. Warte hier, bitte.
Wir stiegen aus. Nora verschwand durch das Gartentor. Erstaunlicherweise war der Wald hier noch unversehrt.
Nach kurzer Zeit kam sie zurück. Er ist nicht da, sagte sie aufgeregt. Die Tür ist nicht abgeschlossen, also war er hier gewesen. Vor dem Haus steht sein Auto. Er muss hier irgendwo sein.
Unschlüssig standen wir herum. Der Wind pfiff uns um die Ohren.

Wo kann er denn hin sein? fragte ich, um überhaupt etwas zu sagen.
Wenn ich das wüsste …, stiess sie es heraus, den Tränen nahe. Mir war klar, da steckte mehr dahinter. Hatte ich es nicht bemerkt oder die ganze Zeit ignoriert, um es nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen?
Es klingt banal, trotzdem, überleg mal, wo könnte er hingegangen sein, machte ich einen weiteren Versuch. Bitte denk’ nach. Er hatte doch bestimmt seine Gewohnheiten …

Ja, ich glaube, ich weiss, unterbrach sie mich, wohin er …, die Burg. Sie wies auf die Bergkuppe hinter dem Wald, auf dem ein nicht zu übersehendes hochherrschaftliches Gemäuer thronte.
Komm wir gehen, sagte sie und rannte auf den vom Sturm gepeitschten Wald zu.
Da gehe ich nicht rein, rief ich hinter ihr her, das ist viel zu gefährlich. Bitte, komm zurück. Sie drehte sich um.
Wenn du nicht mitkommst, dann gehe ich alleine. Bleib hier und warte auf mich.
Das wollte ich dann doch nicht und folgte ihr langsam.

Kyrill spricht
Mein Name ist Kyrill, der zum Herrn Gehörende, nur ihm bin ich nah. Trotzdem, ich bin ein Sturm, ein Sturm wie andere auch. Doch wir werden mehr werden und gewaltiger. Wir werden über euch kommen – für die einen wie das Jüngste Gericht, für die anderen wie eine Erlösung.
Und ihr, die Heutigen, ihr seid auserwählt, all das Mächtige, das Gewaltige, das sich bis ins Unvorstellbare Steigernde mitzuerleben. Ist das nicht fantastisch? Ihr bekommt die einmalige Gelegenheit, Zeuge einer hoch spannenden Entwicklung zu werden – wenn sich nichts ändert. Oder aber, ihr werdet erleben, dass sich etwas ändert, weil ihr etwas verändert habt. Das eine oder das andere, beides ist spannend. Und ihr werdet es schon bald erleben, nicht erst am Ende aller Zeiten.
Ja mit den Zeiten wird es ohnehin so weitergehen wie bisher. Die Sonne wird aufgehen, die Sonne wird untergehen. Es wird Morgen, Mittag, Abend werden, die Nächte werden dunkel sein. Und das Tag für Tag. Am Himmel werden die Sterne leuchten, dieselben Glitzerdiamanten, die seit Jahrmillionen auf uns herabschauen. Bäume werden wachsen, Blumen werden blühen. Der Fuchs wird dem Hasen Gute Nacht sagen, wenn er gerade keinen Hunger hat. Daran wird sich nichts ändern.

Nur die Sonne, sie wird nicht mehr so gern gesehen sein. Man wird sie fürchten. Der dürstende Wanderer wird länger brauchen, bis er einen Brunnen findet. Und wenn er ihn gefunden hat, wird er froh sein, wenn Wasser drinnen ist. Und nicht nur schwarze Brühe, die aus einem Bohrloch quillt.
Ach nein, was rede ich da. Natürlich wird es genügend Wasser geben. Nur nicht da, wo es am meisten benötigt wird. Viele werden sehr viel weiter laufen müssen, um an das kostbare Nass zu kommen. Sehr viele. Da werden Massen in Bewegung geraten. Sie kommen von weit her. Ich fürchte, sie werden nicht sehr nett sein, wenn sie – endlich – auf einen Brunnen stossen. Sie werden trinken wollen, koste es was es wolle. In der Ausweglosigkeit herrscht Mitleidlosigkeit.

Und nach den Durstenden kommen die Hungernden!

Dieser Beitrag wurde unter Lesung abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>